Benno Fürmanns Blick

Fotografieren am Filmset

Eine alte, aufgelassene Schule von der der Putz abbröckelt. An den Straßenlaternen davor wirbt die DKP mit ihren Wirtschaftsexperten Marx, Engels und Lenin um Wählerstimmen. Auf der Wiese parken ein paar Autos, Filmausrüstung liegt scheinbar achtlos herum. Die Sonne scheint, es ist ein warmer Augusttag. Auf ein paar Bänken unter einem Sonnensegel haben es sich einige Mitglieder der Filmcrew bequem gemacht, trinken Kaffee und warten auf ihren Einsatz. Man ist jung, kreativ und per Du. Ich bin in Henningsdorf am Rande von Berlin angekommen, am dem Set des Films „Nachthelle“. Ich bin dort mit einer befreundeten Journalistin. Meine Aufgabe ist es, Bilder des Hauptdarstellers Benno Fürmann zu machen. „Nein, Ihr könnt jetzt nicht herauf. Die proben gerade. Das ist jetzt ungünstig.“ Also nehmen wir uns auch einen Kaffee und warten auf eine günstige Gelegenheit. Nach einer Viertelstunde ist es günstig, und wir gehen in die alte Schule. Im Foyer ist es stockdunkel und es riecht muffig. Es sind noch wenige Drehtage übrig und die Zeit drängt. Die Stimmung ist dennoch entspannt, familiär und konzentriert. Ich bin erstaunt zu sehen, wie viele sich auf einem Filmset tummeln. Aber jeder ist sich anscheinend seiner Aufgabe bewußt und wartet darauf einzuspringen. Die Szene, die gerade geprobt wird, ist ein kurzes Zusammentreffen der Hauptpersonen. Ein paar Sätze, die aber immer wieder wiederholt werden. Dem Regisseur Florian Gottschick kann man die Anspannung im Gesicht deutlich ablesen. Mit meiner Kamera bewege ich mich vorsichtig am Set und versuche die Atmosphäre in Bildern einzufangen. In all dieser Anspannung hört sich das Auslösen meiner Nikon an wie ein Paukenschlag und mir ist dies fast peinlich. “Nein, ich kann das Klacken nicht abstellen.“ Was würde ich jetzt um eine kleine und lautlose Leica M mit einem 90er Objektiv geben!

Benno Fürmann bewegt sich gut gelaunt auf dem Set und hat kein Problem damit, auch eine kleine Attraktion zu sein. Er zeigt keinerlei Starallüren. Es sind einige Besucher, auch Kinder, am dem Set. Man merkt ihm an, daß er sich in seiner Haut wohl fühlt. Einmal, als ich ihn im Gespräch mit dem Regisseur fotografiere, reißt er den Kopf rum und blickt direkt in die Kamera. Augenblicklich höre ich auf zu fotografieren und fühle mich wie ein Jäger, der Wild aufgescheucht hat. Es gibt Menschen, die beschreiben Fürmanns Blick aus blau-grünen Augen, als „intensiv, stahlhart oder eiskalt“, als den „Röntgenblick“.

Das Interview kannin der Mittagspause stattfinden. Porträtfotos will Benno Fürmann aber nicht. Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Ich muß also meinen Plan ändern und „drum herum arbeiten“. Während die Journalistin das Interview führt, versuche ich davon Fotos zu machen ohne dabei zu stören. Das gelingt mir auch.

Da es Sonntag ist, gibt es auch ein Sonntagsessen – Schnitzel mit Klößen. Wahlweise auch in einer vegetarischen Variante mit Tofu. Mir wird bewußt, daß – wie auf einem Schiff – der wichtigste Mann gleich nach dem Regisseur der Koch ist.

Das Interview ist beendet, und ich habe meine Bilder. Ich beobachte noch einige Zeit die Aufnahmen und fühle mich an Truffauts „La Nuit américaine“ erinnert. Dann mache ich mich auf um zurück nach Frankfurt zu fahren.

Der Film „Nachthelle“ hat am 4. November 2015, um 22:45 im RBB seine TV-Premiere. Siehe: Ankündigung mit Trailer von „Nachthelle“ im RBB.

Volker Muth – Ein Bild von einem Unternehmen www.volkermuth.net

Links:

Webtagebuchs: https://volkermuth.wordpress.com

Artikel der Westfälischen Nachrichten: http://www.wn.de/Welt/Kultur/Von-seiner-weichen-Seite-Macho-Mime-Benno-Fuermann-entdeckt-im-Babelsberger-Diplom-Film-Nachthelle-einen-weiblichen-Teil

Der Regisseur: http://www.floriangottschick.de