Vanessa Low – Porträt einer Sportlerin

Ein düsterer Tag im Februar. Die Wolken hängen tief, und es sieht nach Regen aus. Mein Assistent und ich haben kurz gefrühstückt und uns dann gleich nach Frankfurt-Kalbach aufgemacht. Dort, vor der Leichtathletikhalle des Sport- und Freizeitzentrums, sind wir mit der Paralympic Sportlerin Vanessa Low verabredet. Einer ihrer Sponsoren, die Klenke Medizintechnik in Liederbach, hat mich beauftragt, sie für eine Broschüre zu porträtieren. Wir müssen nicht lange warten, und Vanessa Low kommt in Begleitung einer Freundin. Sie wirkt noch etwas müde, aber ist dennoch gut gelaunt. Die lange und wegen eines gestrandeten ICEs, recht chaotische Anreise aus Norddeutschland steckte ihr wohl noch in den Knochen. Die große Leichtathletikhalle ist menschenleer. Die große Tribüne liegt verlassen im Morgenlicht. Man bekommt eine Ahnung von der Spannung und Hektik, die dort bei Wettkämpfen herrschen müssen. An diesem Morgen aber haben wir die Halle ganz für uns alleine. In Ruhe tragen wir die Generatoren, Leuchten und Stative herein und bereiten alles für die Aufnahmen vor. Ich beginne mit Porträt-aufnahmen. Frau Low hat eine sympathische, eine natürliche Ausstrahlung. So ist es leicht, sie zu fotografieren. Als nächstes stehen die Aufnahmen in ihren beiden Disziplinen Sprint und Weitsprung an. Bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro hat sie im Weitsprung die Goldmedaille und im 100 m Sprint die Silbermedaille geholt. Fasziniert betrachte ich, wie sie ihre beiden Alltagsprothesen gegen eine für den Wettkampf eintauscht. Im Jahr 2006 wurde sie an einem Bahnhof von einem Zug überrollt und verlor dabei beide Beine. Seit dieser Zeit muss sie Oberschenkelprothesen tragen. Die Prothesen, die sie für den Wettkampf trägt, bestehen aus Metall, das unterhalb des Knies in eine Karbonfeder übergeht, an deren Unterseite Spikes angebracht sind. Spontan kommt mir der Gedanke, dass sie mir hoffentlich nicht auf die Füße tritt.

Während sich Vanessa Low warm macht für den Sprint, bauen wir die Blitzanlage an der Laufbahn auf und ich mache dabei erste Testbilder. Bei den Aufnahmen muss alles sitzen, denn verletzungsbedingt werden wir nur ein paar Versuche haben. Mit der Kamera positioniere ich mich auf der Strecke. Den Fokus lege ich auf einen Punkt des Belags etwa zehn Meter vor mir und schalte den Autofokus aus. Er ist in dieser Situation zu langsam und keine Hilfe. Mein Assistent gibt das Startsignal, Frau Low rennt los, und ich warte, bis sie den entscheidenden Punkt erreicht und löse dann aus. Die Blitzanlage leuchtet auf, und nach drei Versuchen habe ich die Bilder, die ich mir vorgestellt habe. Ihr Laufstil ist für mich ungewohnt – wenn sie an mir vorbeiläuft, wirkt es wie Schweben.

Als nächstes fotografiere ich sie beim Weitsprung. In Rio de Janeiro sprang sie mit 4,93 m eine neue Weltrekordweite. Auch diese Aufnahmen gelingen nach wenigen Versuchen. Zum Abschluss porträtiere ich sie noch, die Goldmedaille in Händen haltend.

Anschließend packen wir unsere Gerätschaften zusammen und beschließen die Aufnahmesession mit einem Burgeressen in Bonames.

Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns im Wagen über die vergangenen Fotoaufnahmen und sind uns einig, dass uns Vanessa Low mit Ihrer Natürlichkeit und ihrer Art sich durch nichts, aber rein gar nichts unterkriegen zu lassen, sehr beindruckt hat.

Ich danke dem Sportamt der Stadt Frankfurt ganz herzlich für die Erlaubnis der Aufnahmen in der Leichtathletikhalle und dem Hausmeisterteam des Sport- und Freizeitzentrums Kalbach, das uns bei den Aufnahmen dort unterstützt hat.

Volker Muth – Ein Bild von einem Unternehmen www.volkermuth.net

Weblinks:

http://www.klenke-medizintechnik.de

https://de.wikipedia.org/wiki/Vanessa_Low

4 Gedanken zu „Vanessa Low – Porträt einer Sportlerin

  1. Hallo Volker,

    na da staune ich ja, nicht nur über die gekonnten Portraits, auch über Deine Geschichte der Ausnahme-Sportlerin Vanessa Low. Bin ganz überrascht über die Kombination Bildreportage und Schreibe, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Danke dafür! Ich war übrigens in Königstein in der kleinen Galerie und hab mir Deine Bilder angesehen. Der Galerist war sehr freundlich aber mitten in Vorbereitungen für die nächste Ausstellung. wir fahren freitag in den Norden und wünschen der ganzen Familie Muth fröhliche Ostereier! Ich grüße Dich Christine

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